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Biografien zu den verlegten Stolpersteinen

Gertrud Bernhard, geb. Haendel

13. Januar 1875 -
16. Mai 1944
Am Schilde 4
ermordet im KZ Ausschwitz

 

 

 

 


Kurzbiografie:

"Vor dem Haus standen eine alte Linde und eine Bank, auf der abends die Nachbarn saßen und klönten..(...) Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, dass es von den Anwohnern Am Schilde irgendwelche Aversionen gegen die Familie Bernhard gab. Es war eine normale Nachbarschaft mit Guten Tag und Guten Weg." (Aus den Erinnerungen von Hans G. Koch an Familie Bernhard vor der nationalsozialistischen Verfolgung.)

Gertrud Haendel wurde in Landsberg an der Warthe geboren. Sie war jüdischer Abstammung. 1897 heiratete sie den jüdischen Kaufmann Paul Bernhard. Das Ehepaar zog nach Wismar und übernahm die Wolle- und Produktionshandlung samt Gerberei Am Schilde 4, die Paul Bernhards Vater bis dahin führte. Nachdem Tod ihres Mannes 1930 wurde Gertrud Bernhard die Inhaberin des Betriebes. Wie lange sie ihn noch führte und inwieweit sie dabei den Repressalien durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war, lässt sich derzeit nicht feststellen. 1935 waren Geschäft und Grundstück bereits an Nachbarn verkauft.

Ihrem Sohn Herrmann gelang es 1939, Deutschland zu verlassen und nach China zu emigrieren. Nach Gertrud Bernhards Verhaftung in Wismar wurde sie am 12. Januar 1943 mit dem Transport 1/83 von Berlin aus in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Seit dem Weitertransport nach Ausschwitz am 16. Mai 1944 verliert sich ihre Spur.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Gertrud Bernhard wurde am 15. Juli 2008 Am Schilde 4 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stolperstein hat Maren Schmidt übernommen.

Zum Weiterlesen:

  • Bersch, Falk, Stolpersteine in Wismar. Wismar: 2018
  • Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar, Juden in Mecklenburg 1845-1945. Bd 2, Kurzbiografien, Schwerin: 2018 2019, S. 63, 64, 67.


Herrmann Bernhard

 

 

 

 

Kurzbiografie:

"1939 wanderte ich wegen der Judenverfolgung durch die Nazis nach Schanghei-China aus." (Aus einem Lebenslauf Herrmann Bernhards, 1950)

Herrmann Bernhard wurde 1901 als Sohn von Paul und Gertrud Bernhard in Wismar geboren. Beide Eltern waren jüdischer Abstammung und die Familie praktizierte den jüdischen Glauben. Nach der Schulzeit lernte er in der Wolle- und Produktionshandlung seines Vaters. Danach ging er nach Schwerin und arbeitete in einer Ziegelei. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde er verhaftet, in der Strafanstalt Neustrelitz-Strelitz eingeliefert und erst im Frühjahr 1939 entlassen. Er kehrte zurück zu seiner Mutter nach Wismar und arbeitete in der Dachpappen-Fabrik Eggert. Am 12. August 1939 verließ er Deutschland und fand in Schanghai Asyl. Seine Mutter wurde 1942 deportiert und 1944 im KZ Ausschwitz ermordert.

In Schanghei überlebte Herrmann Bernhard den Zweiten Weltkrieg. Er arbeitete als Lagerarbeiter und Zeitungsjunge. 1947 kam er nach Wismar zurück. Er hatte verschiedene Arbeitsstellen, war unter anderem in der Stadtverwaltung tätig und ab 1949 als Betriebspolizist bei der Wismarer Werft. 1950 heiratete er Gertrud Ruttloh.

Um 1963 verlor Herrmann Bernhard aufgrund politischer Unzuverlässigkeit seine Stelle bei der Betriebspolizei. Das Ehepaar Berndhard zog mit Tochter Petra im Herbst 1966 nach Dresden. Kurz darauf ist Herrmann Bernhard dort verstorben.


Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Herrmann Bernhard wurde am 16. Februar 2019 am Schilde 4 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein haben Petra Milatz und Maren Schmidt übernommen.

Zum Weiterlesen:

  • Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar, Juden in Mecklenburg 1845-1945. Bd. 2, Kurzbiografien, Schwerin: 2019, S. 63, 64, 67

Familie Blass

 

Familie Blass überlebte den Holocaust. Sie emigrierten in die USA.
ABC-Straße 14


Kurzbiografie:

"Mitten in der Nacht erwachten (meine Eltern) von lautem Getöse und klirrenden Fenstern. Aus dem Fenster sahen sie, dass SA-Männer wie die Vandalen in dem Schuhgeschäft (Blass) wüteten, Glas zerschlugen, Schuhe auf die Straße warfen und Mobiliar zertrümmerten. Meine Eltern waren entsetzt, erwarteten jeden Augenblick die Polizei und konnten nicht begreifen, dass niemand eingriff. Am nächsten Tag war schnell bekannt, dass dieser "Einsatz" kein Einzelfall war.
(Aus den Erinnerungen einer Wismarer Bürgerin über die Reichspogromnacht am 9. November 1938 in Wismar.)

Um das Jahr 1920 zog Max Blass aus dem östlichen Polen nach Wismar. Am 15. Dezember 1020 heiratete er Jenni Fischel. Kurz darauf eröffnete Max Blass in der Sargmacherstraße 9 eine Schuh- und Kleiderhandlung. Um das Jahr 1923 zogen Familie und Geschäft in die Mühlengrube 36. 1927 war mit Paula das dritte Kind der Familie geboren. Max Blass verlegte seine Geschäftsräume in die ABC-Straße 14, später zog er mit seiner Familie in die Wohnung über das Geschäft. Der kleine Laden schien in Wismar beliebt zu sein. Max Blass hatte günstige Preise und auch ärmere Leute konnten sich bei ihm etwas leisten. Familie Blass gehörte zur Israelitischen Gemeinde in Schwerin.

Besonders die Kinder der Familie Blass hatten schon zu Beginn des Jahres 1933 in der Schule unter antisemitischen Übergriffen zu leiden. Bernhard Blass hatte von 1927 bis 1931 die Volksschule in Wismar besucht, danach lernte er am Gymnasium in der Großen Stadtschule. Er wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft von Lehrern und Schülern drangsaliert und gemieden. Letztlich war es ihm nicht mehr möglich, auf der Schule zu bleiben und die Eltern schickten ihn nach Hamburg, wo er bis 1937 die Talmud-Thora-Schule besuchte. Ähnlich erging es seinem Bruder Ernst, der von 1934 bis 1938 auf der Hamburger Talmud-Thora-Schule war. Paula Blass besuchte bis zur Reichspogromnacht die Mädchen-Mittelschule, die seit 1933 Adolf-Hitler-Schule hieß (heute Fritz-Reuter-Schule).  Auch dort war sie eine Außenseiterin.

Der für Ende März / Anfang April 1933 von der NSDAP organisierte reichsweite "Boykott" jüdischer Geschäfte traf auch das Geschäft der Familie Blass in der ABC-Straße 14. Am 1. April 1933 postierten sich SA-Männer mit Plakaten vor jüdischen Geschäften um die Bevölkerung vom Einkauf abzuhalten. Auch die nationalistische Presse hetzte gegen das Geschäft. So drohte der Niederdeutsche Beobachter vom 18. Juli 1935 den Kunden von Max Blass: "Machen Sie in Zukunft einen großen Bogen um das Geschäftshaus des kleinen Juden in der ABC-Straße." Ab Mitte 1938 mussten Max und Jenni Blass die zusätzlichen Vornamen Israel und Sara tragen. Über das Geschehen in der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 gibt es verschiedene Berichte. Die SA wütete in dem Schuhgeschäft, zerschlug das Schaufenster, zertrümmerte Mobiliar und warf die Ware auf die Straße. Max Blass musste weinend die Verwüstung seines Ladens zusehen. Am 10. November wurden er und sein Sohn Ernst verhaftet und in die Strafanstalt Neustrelitz-Strelitz eingeliefert. Ernst Blass war mit 15 Jahren der jüngste unter den 175 verhafteten Juden aus ganz Mecklenburg, die sich zu diesem Zeitpunkt dort befanden. Vermutlich wurde er wenige Tage später wieder entlassen. Max Blass kam erst Mitte Dezember 1938 frei und nach Wismar zurück.

Im November 1935 waren noch alle fünf Mitglieder der Familie Bass in Wismar gemeldet. 1936 schien Bernhard Blass seinen dauerhaften Wohnsitz nach Hamburg verlegt zu haben. Nach dem Ende seiner Schulzeit im März 1937 bereitete er sich auf die Auswanderung vor. Er verließ Deutschland am 1. Juni 1937, von Hamburg fuhr er per Schiff nach New York. Auch Ernst Blass wohnte vor seiner Auswanderung in einer jüdischen Pension in Hamburg. Am 22. Dezember 1938 floh er mit seiner elf Jahren alten Schwester aus Deutschland, wie sein Bruder mit dem Schiff von Hamburg nach New York. Die Ausreise war fast drei Monate geplant. Das Visum hatten beide schon vor dem Novemberpogrom erhalten. Nach Max Blass Haftentlassung verließen auch er und seine Frau Wismar. Ebenfalls von Hamburg aus reisten sie im April 1939 nach England, von dort gelangten sie in die USA. Für das Jahr 1940 ist belegt, dass alle fünf Familienmitglieder in New York zusammenwohnten. Dort wurde die Familie Blass wieder sesshaft.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für die Familie Blass wurden am 27. Juni 2015 in der ABC-Straße 14 fünf STOLPERSTEINE verlegt. Die Patenschaft für die Steine hat der Verein Kaso e.V. übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar. Wismar: 2018.

Michael Buddrus / Sigrid Fritzlar, Juden in Mecklenburg, 1845 -1945, Bd. 1, Texte und Übersichten, Schwerin: 2019, S. 355ff., 362, 378, 488 ff.

Edith Krüger, Wat de Oltschäulers schriewen, in: Mitteilungsblatt der Altschülerschaft Wismar, Nr. 95, Sommer 2001, S. 61f.

Max Ehrlich

26. Dezember 1873 bis 21. September 1942
Dankwartstraße 35
ermordet in Treblinka

Kurzbiografie:

"Mein Vater Max Ehrlich ist am 15. 1. 1942 (....) nach Theresienstadt gekommen und von dort aus am 21. 9. 1942 weiter transportiert, in die Gaskammer!!"
(Kurt Ehrlich in einem Fragebogen vom
11. August 1958)

Max Ehrlich wurde am 26. Dezember 1873 im pommerschen Sonnenburg geboren. Zu welchem Zeitpunkt die Familie Ehrlich nach Berlin zog, ist nicht bekannt. Max Ehrlich wurde nach der Schulentlassung bei der Berliner Firma Emil Blumenthal & Co als Lehrling eingestellt. Nach der Lehrzeit arbeitete er sich dort vom kaufmännischen Angestellten zum Geschäftsführer hoch. Etwa dreißig Jahre blieb er der Firma treu, dann gründete er in Berlin eine Wäschefabrik. Am 13. Oktober 1898 heiratete er in Berlin die Schneiderin Sara Prager (1874-1942). Der Sohn Kurt wurde 1900 und die Tochter Frieda 1904 geboren. Die Ehe wurde 1927 geschieden. Im Anschluss verließ Max Ehrlich auch der berufliche Erfolg.

Um das Jahr 1930 zog er nach Wismar. Er gehörte zur Jüdischen Gemeinde Schwerin. Für das Jahr 1932 ist bekannt, dass er als Verkäufer in einem Herrenbekleidungsgeschäft arbeitete. Eine Unterkunft hatte er zu dieser Zeit in der Lübschen Straße 18, im Haus von Schlachtermeister Karl Stübe. Für das Jahr 1935 verzeichnet das Wismarer Adressbuch seine Wohnung in der Dankwartstraße 43 und bezeichnete Max Ehrlich als Verkäufer. Mitte der 1930er Jahre verlor er aufgrund der nationalistischen Repressalien seine Stellung. Max Ehrlich versuchte sich als Vertreter mit dem Verkauf von Anzügen von Haus zu Haus zu ernähren. Im Zuge der Reichspogromnacht kam er am 10. November 1938 in Haft. Etwa eine Woche verbrachte er in der Haftanstalt Neustrelitz-Strelitz. Am 17. November wurde er entlassen. Das Überleben in  Wismar wurde ihm nun unmöglich gemacht. Max Ehrlich verließ Wismar. 1939 war er in Rostock in der Strandstraße 86 gemeldet, dies schien aber nur ein kurzzeitiger Wohnort gewesen zu sein. 

Am 14. März 1940 zog er - nun völlig mittellos - nach Hamburg und fand Unterkunft im Altenheim des Jüdischen Religionsverbandes im Jungfrauentahl 37. 1941 musste er in eines der sogenannten "Judenhäuser" ziehen, in denen die zum Transport in die Konzentrationslager bestimmten Juden gesammelt wurden. Am 16. Juli 1942 wurde er mit dem Transport VI/1 von Hamburg in das KZ Theresienstadt gebracht. Von Theresienstadt kam er am 21. September 1942 zur Deportation nach Treblinka. Auf diesem Transport sollen sich 2002 Personen befunden haben, von denen nur eine überlebte. In Treplinka wurden in der Zeit vom 22. Juli 1942 bis 21. August 1943 zwischen 700.000 und 1,1 Million Menschen ermordert.

Max Ehrlichs Sohn Kurt gelang mit seiner Frau 1938 die Emigration nach Shanghai. 1947 konnte er von dort in die USA ausreisen. Auch Tochter Frieda konnte in den USA ein neues Leben beginnen. Max Ehrlichs geschiedene Frau Sara, die in zweiter Ehe Cohnheim hieß, nahm sich am 6. August 1942 in Berlin das Leben. Wenige Tage später nach ihrem Tod wurden ihre jüdischen Nachbarn abtransportiert und ermordet.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Max Ehrlich wurde am 10. August 2013 in der Dankwartstraße 35 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft hat Familie Pucknus übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018

Familie Rosenberg

 

 

 


Fischel Rosenberg musste sein Schuh- und Bekleidungsgeschäft, dass er ab Mitte der 1920er-Jahre in der ABC-Straße 26 führte, bereits in der ersten Jahreshälfte 1935 aufgeben. Die Repressalien und Boykottmaßnahmen hatten zu dem von den Nationalsozialisten gewünschten Resultat geführt: Kunden blieben aus und der Umsatz ging zurück, so dass geschäftliche und private Rechnungen nicht mehr bezahlt werden konnten. Rosenberg sah sich im April 1935 gezwungen, zu seiner Familie nach Polen zu reisen, um Geld zu leihen um die Schulden zurückzahlen zu können. In Warschau wurde er schwer krank. Zu vermuten ist, dass die Belastungen, denen er in Wismar ausgesetzt war, verantwortlich für das psychische Leiden waren, das ein Warschauer Arzt am 22. April diagnostizierte. Er stellte Rosenberg für längere Zeit unter Beobachtung und ständige Pflege, an eine baldige Rückkehr war nicht zu denken. Rosenberg hatte nicht einmal die Kraft, seine Frau Beyla zu informieren, dies geschah durch ihre Schwester.

Nun lastete auf Beyla Rosenberg die Verantwortung für die Familie und das Geschäft, um das sie sich bisher nicht gekümmert hatte. In dieser Situation wandte sie sich an den Wismarer Kaufmann und Revisor Wilhelm Ihden, den sie bat, "vielleicht in Gemeinschaft mit einer zuständigen Person, das Warenlager aufzunehmen, damit ich einen Überblick bekommen kann, was zu machen ist. (...) Die Lageraufnahme soll erfolgen in erster Linie im Interesse der Gläubiger. Ihden, mit dem Rosenberg früher wohl in geschäftlicher Verbindung gestanden hatte, nahm am 6. Mai mit einer Amtsperson eine Inventur des Warenlagers vor. Am 14. Mai 1935 wurde er vom Amtsgericht Wismar als Konkursverwalter eingesetzt. Etwa eine Woche zuvor hatte Beyla Rosenberg ihren Haushalt in Wismar aufgelöst und war mit ihren Kindern nach Warschau gereist. Ihden wickelte den Konkurs ab. Er erklärte ausdrücklich, dass es keinerlei Hinweise gab, die einen Verdacht auf betrügerische Handlungen Fischel Rosenberg rechtfertigen konnten. Rosenbergs Angestellte Margarete Sellmann wurde zum 1. Juli entlassen. Ihden, selbst NSDAP-Mitglied, ließ im Niederdeutschen Beobachter und im Völkischen Beobachter Anzeigen über den Verkauf des "Konfektions- und Schuhgeschäft(es) mit Warenlager der Konkursmasse Rosenberg" erscheinen, in denen er betonte, diese sei eine "selten günstige Gelegenheit zur Existenzgründung für P(artei)g(genossen). Daraufhin gingen mehrere Anfragen ein. Am 16. Juli beschloss der Gläubigerausschuss einstimmig das Geschäft dem Kaufmann Wilhelm Lau aus Hagenow für 300 RM zuzuschlagen. Die Kaufsumme schloss den Rest des noch nicht verwerteten Warenlagers und das Inventar ein. Fischel Rosenberg wurde durch die Boykottmaßnahmen in den Ruin getrieben und sein Geschäft billig an einen Nationalsozialisten abgeben.

Beyla und Fischel Rosenberg zogen von Warschau nach Radom, Polen. Dort lebten sie auch während des Krieges. Sie wurden wahrscheinlich in der Shoah ermordet.

Verlegung der Stolpersteine:

Für die Familie Rosenberg wurden am 9. November 2022 die Stolpersteine verlegt. Die Patenschaft für die Stolpersteine hat das Wahlkreisbüro René Domke übernommen.


Johann Frehse

10. Januar 1886 – 20. Januar 1942
letzter Wohnort Kanalstraße 8
ermordet in der Tötungsanstalt  Schloss Hartheim

 

Kurzbiografie

"Der Schutzhäftling Johann Frehse (wurde) am 25. Januar 1940 (...) der Geheimen Staatspolizei, Außenstelle Neustrelitz, zwecks Überführung in das Konzentrationslager Sachsenhausen mittels Sammeltransport ausgeliefert."
(Schreiben von Regierungs-oberinspektor Zamm, Landesstrafanstalt Neustrelitz-Strelitz, an die Gemeine Staatspolizei Schwerin vom 25. Januar 1940.

Johann Frehse wurde im Januar 1886 als Sohn einer Landarbeiterfamilie in Bantow geboren. Später lebte der gelernter Schiffszimmermann in Wismar und arbeitete als Fischer. Sein Leben wurde schon früh durch seine Invalidität eingeschränkt, noch vor dem 1. Weltkrieg verlor er seine linke Hand und sein linkes Augenlicht. Geprägt durch die Kriegserlebnisse trat Frehse zunächst in die SPD, dann in die USDP und 1928/29 in den politisch linksstehenden "Internationalen Bund der Opfer des Krieges und der Arbeit" ein. 1931 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei, in der er verschiedenen Funktionen ausübte.


Auch nach der Machtübernahme durch die Nazis blieb er in der KPD und wechselte in den Widerstand. Aus diesem Grund befand er sich schon 1933 das erste Mal kurzzeitig in Haft. Johann Frehse war daran beteiligt, Kommunisten mit seinem Fischerboot ins Exil zu bringen. Als er im Mai 1934 dem Vorsitzenden der Wismarer Ortsgruppe der KPD Franz Jakubek (1908 -1934) zur Flucht nach Dänemark verhelfen wollte, wurde er bei der Insel Poel verhaftet. Am 6. Dezember 1934 verurteilte ihn das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg nach einer Anklage der Vorbereitung zum Hochverrat zu eineinhalb Jahren Gefängnis, der er in Dreibergen-Bützow verbüßte.

Nach der Haft kehrte er nach Wismar zurück, wo er bis 1939 mit seiner Familie lebte. Im November 1939 erfolgte seine erneute Verhaftung, weil er weiter im kommunistischen Widerstand aktiv war. Die Gestapo wies ihn am 12. Dezember 1939 in die Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz ein, von dort kam er am 25. Januar 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Am 28. August 1940 überstellte man ihn in das Konzentrationslager Dachau. Im Rahmen der "Sonderbehandlung 14 f 13", bei der die Nationalsozialisten ab März 1941 in den Konzentrationslagern invalide und arbeitsunfähige Häftlinge, die sie als lebensunwert eingestuft hatten, ermordeten, wurde Johann Frehse am 20. Januar 1942 in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim gebracht und dort vergast. Insgesam wurden fast 2.600 in Dachaus inhaftierte Menschen in Hartheim getötet. Diese Aktion unterlag strengster Geheimhaltung. Die Tötungsanstalt wurde daher weder in Johann Frehses Sterbeurkunde noch in anderen Unterlagen des KZ Dachaus als Todesort bzw. als Zielort eines Transportes angegeben. Gemäß den "offiziellen" Angaben verstarb Johann Frehse am 26. Februar 1942 im KZ Dachaus an einem Herz-Kreislaufversagen.

Verlegung des Stolpersteins

Für Johann Frehse wurde am 15. Juli 2008 an der Kreuzung Kanalstraße / Dr.-Leber-Straße (ehemals Kanalstraße 8) ein Stolperstein verlegt. Der Stein wurde in der Nacht vom 1. Oktober 2008 von Unbekannten entfernt. Die Projektgruppe STOLPERSTEINE konnte mit Hilfe von Spenden einen neuen Stein anfertigen lassen und Mitarbeiter des Entsorgungs- und Verkehrsbetriebes verlegten den neuen Stein am 20. November 2008. Bernhard Krummhauer, Pächter der Tankstelle "Total Station" an der Dr.-Leber-Straße, hat für diesen Stein die Patenschaft übernommen.

Zum Weiterlesen:
Bersch, Falk, Stolpersteine in Wismar. Wismar: 2018.
In der Ausstellung des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim wird an Johann Frehse erinnert. Seine Biografie ist online hier einsehbar:
http://lebensspuren.schloss-hartheim.at/index.php/2-biografie/16-johann-frehse

Fritz Stein


 

 

 


Fritz Stein, geboren 1904 in Kredenbach im heutigen Nordrhein-Westfalen, wurde im Jahr 1940 verhaftet und nach Paragraf 175 verurteilt. Sein angebliches Verbrechen: Er liebte Männer. Homosexuelle Beziehungen waren in Deutschland seit dem Kaiserreich verboten. Doch unter den Nazis wurde der Paragraf 175 verschärft. Allein der Verdacht, schwul zu sein, reichte aus, um verhaftet zu werden. Im Jahr 1942 wurde Fritz Stein nach Ausschwitz deportiert und dort nach weniger als drei Monaten Haft am 31. März 1942 ermordet.

Bei der Verlegung des Stolpersteins waren mehr als 40 Interessierte dabei, darunter der 1940 geborene Dieter Stähler aus dem Siegerland, Neffe von Fritz Stein, und seine Tochter Dorothee Stähler. Zu den Gästen der Gedenkfeier gehörten auch Jürgen Wenke, der zum Leben von Fritz Stein recherchiert hatte.

Verlegung des Stolpersteins:

Für Fritz Stein wurde am 9. November 2022 ein Stolperstein verlegt. Die Patenschaft für den Stolperstein für Fritz Stein hat Ministerpräsidentin Manuela Schwesig übernommen.


Carl Glöde

11. Mai 1881 – 20. April 1943
Krönkenhagen 26
ermordet im KZ Neuengamme


Kurzbiografie:

"Die Überführung der Aschenreste kann unter Beiführung einer Beisetzungsgenehmigung der Friedhofsverwaltung, welche die Beisetzung vornehmen soll, beim Krematorium des hiesigen Lagers beantragt (werden)."
(Aus der Todesmitteilung des Konzentrationslagers Neuengamme an Martha Glöde vom 20. April 1943.)

Im Jahr 1937 kehrte der Maschinenschlosser Carl Glöde aus Ostpreußen in seine Geburtsstadt Wismar zurück. Das Ehepaar Glöde, das zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gehörte, fand in Krönkenhagen 26 eine Wohnung. Carl Glöde versuchte die von der Gestapo zerschlagenen Gemeinde der Zeugen Jehovas in Wismar wieder zu aktivieren. Er wurde jedoch von einem Nachbarn denunziert und  wegen Aufrechterhaltung seiner Glaubensaktivitäten zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Weitere Gerichtsverurteilungen wegen kritischer Äußerungen gegen die Nationalsozialisten folgten. Nach Haftverbüßung in Dreibergen-Bützow wurde Carl Glöde in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Neuengamme überführt. Im April 1943 wurde er in Neuengamme ermordet. 

 Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Carl Glöde wurde am 15. Juli 2008 in Krönkenhagen 26 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein hat Duncan Ò Ceallaigh übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar; Wismar: 2018.

Willi Gotthardt

09. November 1913 – 20. Januar 1945
Am Torney 31
erschossen in Krotoschin / Polen

Kurzbiografie:

Willi Gotthardt wurde 1913 in Kamps bei Schwaan geboren. Er zog Mitte der 1930er Jahre nach Wismar und wohnte mit seiner Familie Am Torney 31. Beschäftigt war er als Maler in der Waggonfabrik und als Spritzlackerierer in den Dornier-Werken. Gleich zu Beginn der NS-Herrschaft kam er in Konflikt mit dem Regime, indem er sich weigerte, den "Arbeitsdienst" weiter durchzuführen, nachdem dieser uniformiert worden war. Auch nach seiner Einberufung zur Wehrmacht - im November 1939 - verhielt er sich unangepasst. Willi Gotthardt verweigerte den Gehorsam und gab im Rahmen einer Auseinandersetzung einem Unteroffizier eine Backpfeife, was ihm neben einer unehrenhaften Entlassung auch acht Monate Wehrmachtsgefängnis einbrachte. Nach Wismar zurückgekehrt beschäftigte ihn die Deutsche Reichsbahn. Aber auch hier blieb Willi Gotthardt nicht still. Als er an seinem Dienstort in Petersdorf einen Transport russischer Kriegsgefangener beobachtete, empörte er sich über die unmenschliche Behandlung - was nicht ungehört blieb. Nach einer Anzeige folgte ein Prozess vor dem Schweriner Sondergericht, dass ihn zu eineinhalb Jahren Gefängnishaft verurteilte, die er in Bützow-Dreibergen absaß. Im April 1944 - nach der Haft - wurde Willi Gotthardt erneut zur Wehrmacht eingezogen und der Organisation Todt zugeteilt. Auf dem Rückmarsch durch Polen hat ihn am 20. Januar 1945 ein deutscher General willkürlich erschossen.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Willi Gotthardt wurde am 28. Juli 2009 Am Torney 31 ein STOLPERSTEIN verlegt.

Bertha Heinsius, geborene Waack

02. Januar 1889 – 18. Juli 1941
Poelerstraße 59
ermordet in Bernburg

 


Kurzbiografie:

"Die Zeugin Jehovas, die aus dem Zuchthaus kam - die Begnadigung wurde ihr Verhängns." (Helga Schubert berichtet in ihrem Buch "Die Welt da drinnen. Eine deutsche Nervenklinik und der Wahn vom "unwerten Leben" über Bertha Heinsius.)

Die Hausfrau Bertha Heinsius lebte mit ihrer Familie in der Poeler Straße 59. 1927 schloss sie sich den Bibelforschern (Zeugen Jehovas)  an. Auch nach dem Verbot der Religionsgemeinschaft im Jahre 1933 blieb sie ihrem Glauben treu.  Im Februar 1937 verurteilte sie das Schweriner Sondergericht zu neun Monaten Gefängnishaft. Grundlage des Urteils bildete die "Reichstagsbrandverordnung". Das Sondergericht hatte ihr den Kontakt zu ihren Glaubensgeschwistern sowie den Besitz eines christlichen Abreisskalenders nachgewiesen.

In der Haftanstalt Dreibergen-Bützow brach bei Bertha Heinsius eine Krankheit aus, die der Anstaltsarzt zunächst nicht erkannte. So wurde Bertha Heinsius gefesselt in eine Arrestzelle gesperrt.

Erst im Oktober 1937 wurde die schwerkranke Frau in die Nervenklinik der Heil- und Pflegeanstalt Gehlsheim gebracht. Sie wurde 1938 mit der Auflage einer Bewährungsfrist begnadigt. Schließlich kam sie in die Heil- und Pflegeanstalt Schwerin-Sachsenberg. Im Zuge der sogenannten "Aktion T4" wurde Bertha Heinsius am 18. Juli 1941 von Schwerin in die Vernichtungsanstalt Bernburg transportiert und dort vergast.


Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Bertha Heinsius wurde am 15. Juli 2008 in der Poelerstraße 59 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein haben das Ehepaar Markus und Jutta Stein übernommen.

 

Zum Weiterlesen:

  • Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018
  • Helga Schubert, Die Welt da drinnen. Eine deutsche Nervenklinik und der Wahn vom "unwerten Leben", Frankfurt am Main: 2003, S. 47, 90-101,197.

Familie Karseboom


Am Samstag, 16. Februar 2019 wurde im Beisein von Gunter Demnig, vielen Familienangehörigen, Paten und Interessierten  acht Stolpersteine  in der  Wismarer Altstadt verlegt.

Sieben Stolpersteine wurde für Familie Karseboom verlegt. Die jüdische Kaufmannsfamilie Karseboom lebte seit 1902 in Wismar und betrieb hier ein großes Kaufhaus. Adolf Karseboom war ein angesehener Kaufmann, der auch dem Wismarer Stadtparlament angehörte. Er spielte zudem bei der Religionsausübung der jüdischen Bürger eine tragende Rolle. Sein Sohn Friedrich Karseboom (1900 bis 1987) über im Jahr 1926 das Kaufhaus (heute Hinter dem Rathaus 17).

Als große und wirtschaftlich erfolgreiche Familie waren die Karsebooms seit 1933 nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen und antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Tatsächlich waren Friedrich Karseboom und sein im Stadtzentrum gelegenes Kaufhaus das Hauptangriffsziel der Nationalsozialistischen Presse. Ende des Jahres 1933 sah sich die Familie deshalb gezwungen nach Hamburg zu ziehen. Im Jahr 1935 gab Friedrich Karseboom gezwungener Maßen sein Geschäft auf, es wurde „arisiert“.
Friedrich Karseboom konnte im Jahr 1937/38 mit seiner Frau und den drei Kindern nach Palästina fliehen. Weitere Familienangehörige konnten Deutschland jedoch nicht mehr verlassen. Sie kamen in Konzentrationslagern ums Leben.
Im Beisein von Lawrence Marks sowie Caryn, Vicki und Ethan Hertz wurden vor dem letzten freiwilligen Wohnort am Vogelsang 7 fünf Stolpersteine verlegt. Ein weiterer Stein für Frieda Karseboom, der Mutter von Friedrich, in der Dr.-Leber-Straße, Höhe Clever Fit. Das ehemalige Wohnhaus steht heute nicht mehr.
Vor dem einstigen Kaufhaus der Karsebooms erinnert ein Stein mit der Gravur „Hier arbeitete Friedrich Karseboom“ an die dunkle Zeit der deutschen Geschichte und mahnt uns.

Die Patenschaft für den Stein für Frieda Karseboom hat Maren Schmidt übernommen.

Wilhelm Leonhardt

Dr. Wilhelm Leonhardt

15. Dezember 1875 - 13.Juni 1942
Goethestraße 9
ermordet im KZ Sachsenhausen

Kurzbiografie:

"Am 16. Juni traf ein Brief von ihm ein, geschrieben am 9. Juni, worin er sich freut, bald wieder zu Hause sein zu dürfen(...) Vier Tage vor seinem Tod schreibt er das. Kommentar überflüssig."
(Ilse Leonhardt in einem Schreiben an Sella Hasse.)

Wilhelm Leonhardt kam am 15. Dezember 1875 in Brüel / Mecklenburg auf die Welt. Seine Approbation als Tierarzt erhielt er 1901. Zwischen 1922 und 1925 zog der Oberstabsveterinär a.D. nach Wismar in das Haus Fürstengarten 9 (heute Goethestraße), wo er eine Tierarztpraxis eröffnete. Am 14. November 1933 heiratete Dr. Leonhardt die Buchhändlerin Ilse Rothe, eine gemeinsame Tochter wurde 1935 geboren.

Dr. Leonhard war seit Gründung des Bundes für Mutterschutz und Geburtenregelung 1905 dessen Mitglied. Auch der Weltliga für Sexualreform trat er 1928 bei. Auf den Kongressen für Sexual-Reform und Geburtenregelung in den Jahren 1928 bis 1930 stellte er eine Möglichkeit der Geburtenregelung vor, die dort internation anerkannt und von Fachärzten als sicher bezeichnet wurde. Besonderes Lob erhielt er für diese "Secura" genannte Erfindung 1929 vom Direktor der Staatsanstalt für Mutter- und Kleinkinderschutz in Moskau.

Am 30. Dezember 1941 suchten zwei Gestapobeamte Wilhelm Leonhardt in seiner Wohnung auf. Sie beschlagnahmten einen Teil seiner Korrespondenz und verhörten ihn eineinhalb Stunden. Anschließend musste er sie begleiten, angeblich um das Protokoll zu unterschreiben. Er kehrte nie mehr nach Hause zurück. Von Wismar wurde er in das Schweriner Gerichtsgefängnis am Demmlerplatz überführt, wo er bis Anfang Februar in Einzelhaft verbrachte. In dieser Zeit durfte ihn seine Frau zweimal besuchen. Am 6. Februar 1942 deportierte ihn die Gestapo in das KZ Sachsenhausen. Dr. Leonhardt trug dort die Häftlingsnummer 40.988. Seine Frau erhielt am 15. Juni 1942 die Nachricht, dass er in Sachsenhausen an Tuberkulose verstorben sein. In den Aufzeichnungen des Konzentrationslagers wurde eine "Allgemeininfektion nach Furunkelose" als Todesursache vermerkt. Ilse Leonhardt verfasste einige Monate später ein Schreiben, in dem es heißt: "Am 16. Juni traf ein Brief von ihm ein, geschrieben am 9. Juni, worin er sich freut, bald wieder zu Hause zu sein dürfen.(...) Vier Tage vor seinem Tod schreibt er das. Kommentar überflüssig.

Was der genaue Grund für seine Verhaftung war, lässt sich derzeitig nicht belegen. Der Nationalsozialismus in Deutschland verhinderte allerdings sexualreformerische Bemühungen. Der Gründer der Weltliga für Sexualreform Magnus Hirschfeld war schon 1931 aufgrund nationalsozialistischer Anfeindungen ins Exil gegangen. Die Ziele der Liga wie die Geburtenregelung oder die Entkriminalisierung der Homosexualität waren mit dem nationalistischen Gedankengut nicht in Übereinstimmung zu bringen. In Wismar verursachte die Festnahme und Tod von Dr. Wilhelm Leonhardt großes Aufsehen.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Wilhelm Leonhardt wurde am 10. August 2013 in der Goethestraße 9 ein STOLPERSTEIN verlegt.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018

Louis Lewinski

1. April 1869 bis 26. März 1943
Altwismarstraße 17
ermordet in Sobibor

Kurzbiografie:

Der Kaufmann Louis Lewinski wurde am 1. April 1869 in Konitz (Westpreußen) geboren. Anfang der 1930er Jahre zog er nach Wismar, lebte in der Altwismarstraße 17 (damals Nr. 12) und eröffnete in der Dankwartstraße 14 ein Schuhgeschäft. Mitte der 1930er Jahre zog Arthur Lewinski, ein Verwandter, zu ihm.

Während des Novemberprogroms 1938 wurde Louis Lewinski so wie andere Wismarer Juden verhaftet und für etwa eine Woche im Zuchthaus Neustrelitz-Strelitz festgehalten. Nach seiner Ent-lassung kehrte er zunächst nach Wismar zurück, stellte aber fest, dass ihm hier die Lebensgrundlagen entzogen wurden. Er emigrierte in die Niederlande und lebte in Amsterdam. Nachdem die deutsche Wehrmacht auch in die Niederlande einmarschierte und die Juden auch dort verfolgte, wurde Louis Lewinski am
9. März 1943 verhaftet und im Sammel- und Durchgangslager Westerbork inhaftiert. Am 23. März 1943 wurde er mit 1250 anderen Personen in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Louis Lewinski wird am 10. August 2013 in der Altwismarstraße 17 ein Stolperstein verlegt.

Paten:

Arthur Lewinski

6. Februar 1867 bis 24. Januar 1943
Altwismarstraße 17
ermordet in Theresienstadt

Kurzbiografie:

Der jüdische Kaufmann Arthur Lewinski wurde am 6. Februar 1867 in Saalfeld (Ostpreußen) geboren. Mitte der 1930 Jahre zog er nach Wismar und lebte bei einem Verwandten (Louis Lewinski) in der Altwismarstraße 17 (damals Nr. 12). Nach dem Novemberprogrom 1938 wurden auch ihm die Lebensgrundlagen in Wismar entzogen, so dass er sich entschied, nach Eisenach zu ziehen. Dort wurde er verhaftet und nach Leipzig gebracht, von wo er am 20. September 1942 mit einem Transport nach Theresienstadt kam. Hier starb er am 24. Januar 1943.

 

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Arthur Lewinski wird am 10. August 2013 in der Altwismarstraße 17 ein Stolperstein verlegt.

Dr. Leopold Liebenthal

26. Mai 1868 – 30. November 1938
Altwismarstraße 10
verfolgt und gestorben in Wismar

Kurzbiografie:

"Het du Weihdaag un Kummer, roop nah Liebnthal, de kümmt ümmer."
(In Wismar geläufiger Spruch, der auf Dr. Liebenthals Hilfsbereitschaft und Menschenfreundlichkeit hinwies.)

Leopold Liebenthal wurde als Sohn des Kaufmanns Louis Liebenthal und dessen Frau Emmi, geborene Leopold, am 26. Mai 1868 in Bergen auf Rügen geboren. Er absolvierte 1894 die Medizinisches Staatsprüfung in Berlin und promovierte. Im Oktober 1894 kam Dr. Liebenthal als praktizierender Arzt nach Wismar und richtete in der Altwismarstraße 10 seine Praxis ein. am 10. August 1898 ließ er sich in St. Marien taufen und heiratete die 24jährige Marie Spohr. Dr. Liebenthal war wegen seiner beispielhaften, unermüdlichen und selbstlosen Hifle vor allem in der armen Bevölkerung hochgeschätzt. Sein soziales Engagement ging so weit, dass er zum Teil Behandlungen nicht in Rechnung stellte oder sogar Medikamente, die zur Behandlung ntowendig waren, aus eigener Tasche finanzierte. "Liebenthal kümmt ümmer", hieß es in Wismar. Nachdem 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, wurde seine Praxis geschlossen und ihm wurde verboten zu praktizieren. Liebenthal litt sehr unter der Isolierung und des pychischen Terrors.

Am 21. November 1938 wurde Dr. LIebenthal zu 5.000 Reichsmark "Sühneleistung" verpflichtet. Diese "Leistung" mussten die Juden für den Schaden zahlen, den sie im Rahmen des Novemberpogroms selbst erlitten haben. Am 29. November 1938 folgte eine "Sicherungsverordnung zur Vermögungssicherung von jüdischen Bürgern". Das Eigentum von Dr. Liebenthal wurde beschlagnahmt wegen des Verdachts auf Auswanderung. Am nächsten Tag starb Dr. Leopold Liebenthal an Herzversagen im Alter von 70 Jahren. Sein Trauerzug wurde auf Grund des Drucks der Nationalsozialisten nur von zwei Personen verfolgt, jedoch ehrten vielen Liebenthal, in dem sie an den Straßen oder auf dem Friedhof zu der Zeit "zu tun" hatten. In der Altwismarstraße 10 wurde zu Ehren von Dr. Liebenthal eine Gedenktafel angebracht, hier wohnte und arbeitete er. Auch eine Straße in Wismar trägt seinen Namen. Er liegt heute mit seiner Frau auf dem Westfriedhof an der Schweriner Straße in Wismar.

Dr. med. Liebenthal wurde am 1. Januar 1895 in die Freimaurerloge Wismar aufgenommen. Die Wismarer Loge hat sich bei Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht von seinem Miglied getrennt. Immerhin waren etwa 130 Männer aus der Wismarer Gesellschaft Mitglied der Loge, darunter etwa der hochgeachtete Direktor des Stadtwerke Lindekungel. Der letzte Vorsitzende war Karl-Ludwig Eschenhagen, Fabrikant einer bekannten Spiriuosenfabrik und weiterer Unternehmungen. Die Wismarer Loge wurde am 16. Juli 1935 zwangsweise aufgelöst.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Dr. Leopold Liebenthal wurde am 15. Juli 2008 in der Altwismarstraße 10 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein hat die Loge zur Vaterlandsliebe Wismar e.V. übernommen.

 


Zum Weiterlesen:

Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar. Wismar: 2018.

Nicole Hollatz, Wismarer Gesichter. Ein kleines Kaleidoskop bedeutender Wismarer Persönlichkeiten. Wismar: 2006.

Walter Mantow


30. Mai 1897 – 18. Juli 1941
Krönkenhagen 20
ermordet in der Tötungsanstalt Bernburg

Kurzbiografie:

"...teilen wir Ihnen mit, dass der Patient Walter Mantow (....) am 5. August 1941 in unserer Anstalt verstorben ist."
(Schreiben der "Heil- und Pflegeanstalt" Bernburg an das Jugendamt Wismar mit der gefälschten Todesbenachrichtigung vom 14. August 1941.)

Walter Mantow wuchs als Sohn des Malermeisters Adolf Mantow (geboren 1852) und seiner Frau Elise, geborene Fuhr (1986 - um 1937) in Wismar auf. Familie Mantow wohnte spätestens ab 1888 in Wismar, zunächst in der Speicherstraße 11, ab 1890 in Krönkenhagen 20. Walter Mantow trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Malermeister. Seinen Beruf konnte er nur bis zum Ausbruch eines Nervenleidens ausüben. Danach war er auf die Hilfe und Pflege seiner Mutter angewiesen, die mit zunehmenden Alter damit überlastet war. Sie stellte zahlreiche Anträge an das Wohlfahrtsamt Wismar und erhielt Hilfe durch einen Armenpfleger. Im Mai 1933 hatte sich Walter Mantows Zustand verbessert und er konnte wieder für kurze Zeit arbeiten. Daraufhin verschlimmerte sich sein Zustand jedoch. Der behandelnde Arzt plädierte für eine dringende Aufnahme in eine Heilanstalt. Seine Mutter stellte schließlich einen Antrag auf Aufnahme ihres Sohnes in das Wismarer Alten- und Pflegeheim, in das Walter Mantow am 19. Oktober 1934 kam. Sein Zustand verschlimmerte sich weiter, so dass er im März 1935 in die Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg in Schwerin überwiesen wurde. Dort erklärte man am 12. November 1937, dass mit einer Besserung seiner Krankheit nicht zu rechnen sei und er "zur dauerhaften Anstaltspflege" in Schwerin verbleiben müsse. Am 18. Juli 1941 wurde Walter Mantow mit 134 anderen Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg mit der "Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft" - einer Organisation der SS - in die "Heil- und Pflegeanstalt" Bernburg verlegt, die als Tötungsanstalt fungierte. Er wurde noch am selben Tag vergast, Todesdatum und -ursache wurden gefälscht.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Walter Mantow wurde am 15. Juli 2008 in Krönkenhagen 20 ein STOLPERSTEIN verlegt.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018.

Günter Nevermann

05. November 1933 – 16. Dezember 1942
Poeler Straße 102
ermordet in der Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg (Schwerin)

 


"Meine Mutter war schockiert und wir mussten zwei Jahre jeden Tag mit ihr zum Friedhof gehen."
(Günter Nevermanns Schwester Irmgard Munkwitz in einem Interview über die Reaktion ihrer Mutter auf die Todesnachricht.)

Im Alter von zwei Jahren wurde bei Günter Nevermann eine zebrale Kinderlähmung ("Littlesche Krankheit") diagnostiziert, die sein Gehvermögen, aber nicht seine geistige Entwicklung beeinträchtigte. Günter wurde in den nächsten Jahren in der Orthopädischen und Pädriatrischen Klinik sowie der Psychiatrischen Poliklinik in Rostock untersucht und immer wieder mit Spreizbett und -gips behandelt. Um seine Beschulung zu gewährleisten, sollte 1942 eine dauerhafte Einweisung in das Elisabethheim Rostock erfolgen, wo körperbehinderte Kinder neben der fachärztlichen Betreuung auch eine schulische und berufliche Ausbildung erhielten. Zuvor wurde eine "Sippenuntersuchung" angeordnet, deren Resultuat die Familie als "nicht förderungswürdig" einstufte und Günter zu "bildungsunfähig" erklärte. Daraufhin wurde er aus der Schulpflicht entlassen. Im Wismarer Gesundheitsamt war man jedoch der Meinung, Günter müsse eine Schulbesuch ermöglicht werden. Im September 1942 wurde er zur Beschulung in die Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg-Lewenberg geschickt. Als ihn der dort verantwortliche Arzt Dr. Alfred Leu (1900 - 1975) für schwachsinnig erklärte, holte ihn seine Mutter Elfriede Nevermann sofort nach Hause. Dr. Leu drängte jedoch auf eine erneute Aufnahme, die Mitte November 1942 erfolgte. Etwa einen Monat später kam Günter in die Heil- und Pflegeanstalt im Alter von 9 Jahren ums Leben. Dr. Leu wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für die Ermordung hunderter kranker und behinderter Kinder und Erwachsener verantwortlich gemacht.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Günter Nevermann wurde am 15. Juli 2008 in der Poeler Straße 102 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein hat Herr Schulz übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018.

Familie Nierath

Martha Nierath, geborene Fromm
13. September 1892 – 18. Juli 1941
Klußer Damm 52
getötet in Bernburg

Rudolf Nierath
02. September 1893 – 18. Juli 1941
Klußer Damm 52
getötet in Bernburg

 

Kurzbiografie:

Stolpersteinverlegung im Juli 2009 am Klusser Damm 52.

Martha und Rudolf heirateten am 22. April 1919. Martha Nierath brachten einen Sohn aus erster Ehe mit in die Familie. Werner - 1916 geboren - der 1941 als Soldat an der Ostfront ums Leben kam. Die gemeinsame Tochter Elli kam 1920 zur Welt. Anfang der 1920er Jahre zog Familie Nierath nach Wismar. Im Adressbuch von 1922 ist erstmals ihr Wohnort mit Beguinenstraße 6 angegeben. Ab 1927 ist der Eintrag Klußer Damm 52 zu finden. 

Im Jahr 1939 wies man Rudolf und Martha Nierath beide in die Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg in Schwerin ein. Zwei Jahre später transportierte die SS sie mit weiteren Patienten dieser Anstalt in die Vernichtungsanstalt Bernburg. Sie kamen am Abend des 18. Juli dort an und wurden noch in derselben Nacht vergast. Um die wahren Todesursachen zu verschleiern, vermerkte das Standesamt Bernburg II für Martha Nierath den 2. August und für ihren Mann den 3. August 1941 als Todestag.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Martha und Rudolf Nierath wurden am 28. Juli 2009 am Klußer Damm zwei Stolpersteine verlegt. Die Patenschaft für die Stolpersteine hat Familie Junge übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018.

Ernst Scheel

16. Juni 1872 – 04. Juli 1944
Böttcherstraße 4
ermordet in Dachau

 

 

Kurzbiografie:

Ernst Scheel wurde 1872 in Loppin geboren, wuchs in Wismar auf, erlernte den Beruf eines Schlossers und fuhr nach der Ausbildung zur See. Er verbrachte viele Jahre im Ausland und publizierte später einige seiner Reiseerlebnisse. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er nach Deutschland zurück. In Wismar wurde er Mitglied der KPD.
1921 wurde Scheel in die Wismarer Stadtverordnetenversammlung gewählt. 1926 zählte er zu den Gründungsmitgliedern des Rot-Frontkämpferbundes und wirkte beim Aufbau einer Schalmeienkapelle mit.
Nach der Machtergreifung Hitlers blieb er seiner politischen Überzeugung treu. Nach seiner Verhaftung kam er als polititscher Häftling in das KZ Sachsenhausen. Er wurde im November 1942 in das KZ Dachau überführt. Ernst Scheel verstarb dort im Juli 1944 im Alter von 72 Jahren.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Ernst Scheel wurde am 15. Juli 2008 in der Böttcherstraße 4 ein STOLPERSTEIN verlegt.

Willy Hans Käcker

Kein Ergebnis gefunden.

2. Juli 1905 - 18. Januar 1942
Hinter dem Chor 17
ermordet im KZ Ausschwitz

Kurzbiografie:

"Willy Käcker (...) wurde nach Beendigung der Straftat in das Konzentrationslager Ausschwitz verlegt. (Er) bekam die Häftlingsnummer 20286."
(Der Historiker Jan-Henrik Peters über das Schicksal von Willy Käcker.)

Familie Käcker wohnte im Haus Hinter dem Chor 17. Von 1912 bis 1915 besuchte Willy Hans Käcker die Bürgerschule in Wismar, anschließend bis 1921 die Oberschule. Danach machte er eine dreijährige Lehre bei dem Getreidehändler Karl Sodemann in Wismar. Eine Tischlerlehre im Betrieb seines Vaters schloss sich an. Bis 1933 arbeitete er im väterlichen Betrieb.

Am 4. März 1933 eröffnete Willy Käcker in seinem Elternhaus ein Zigarrengeschäft. Dort ging er im Laufe der nächsten Jahre mit verschiedenen Männern sexuelle Beziehungen ein. Das blieb in Wismar nicht verborgen. Am 2. Juli 1938 wurde er verhaftet und kam auf Grund des Vorwurfs "widernatürlicher Unzucht mit Männern" in Untersuchungshaft. Bei der Vernehmung durch die Gestapo (Grenzpolizeinebenstelle Wismar) legte er ein Geständnis ab, das weitere homosexuelle Männer belastete, deren Verhaftung daraufhin erfolgte. Am 20. und 21. Januar 1939 kam es zu einem Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schwerin, welche in zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilte. Nach Haftverbüßung wurde er in "Schutzhaft" genommen und in das Konzentrationslager Ausschwitz deportiert. Dort traf er am 29. August 1941 ein. Am 6. Dezember befand er sich im Block 28, der Krankenabteilung. Durch totale Unterernährung geschwächt verstarb er am 18. Januar 1942 in Ausschwitz.

Verlegung des STOLPERSTEINS

Für Willy Hans Käcker wurde am 25. Februar 2017 Hinter dem Chor 17 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den Stein übernahm der Schwulen- und Lesbenverband Wismar.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018.

Jan-Henrick Peters, Verfolgt und Vergessen. Homosexuelle in Mecklenburg und Vorpommern im Dritten Reich. Rostock: 2004, S. 79-82.

Heinrich Woest

07. Juni 1886 – 08. Februar 1939
St. Georgenkirchhof 13
ermordet im KZ Sachsenhausen

 

Kurzbiografie:

 "Aus Liebe im Vertrauen und Glauben zu  Gott."
(Antwort von Heinricht Woest auf die 1937 im Strafgefängnis Neustrelitz-Strelitz gestellte Frage, "auf welche Veranlassung er die Tat begannen" habe.)


Im St. Georgenkirchhof 13 wohnte und arbeitete der Schuhmacher Heinrich Woest. 1921 hatte er sich den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) angeschlossen. Die Nationlsozialisten verhafteten ihn 1935 das erste Mal und verurteilten ihn zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe, weil er mit anderen Mitgliedern der Wismarer Gemeinde der Zeugen Jehovas einen Protestbrief an die Hitlerregierung geschickt hatte.

Nach seiner Freilassung engagierte er sich weiterhin für die 1933 verbotene Glaubensgemeinschaft und so dauerte es nicht lange, bis die Gestapo wieder auf ihn aufmerksam wurde.

Im Sommer 1936 wurde er verhaftet und schließlich am 3. Februar 1937 vom Schweriner  Sondergericht, das im Wismarer Fürstenhof tagte, verurteilt. Die zweijährige Haftstrafe verbrachte er in Neustrelitz-Strelitz und Dreibergen-Bützow. Statt aber 1938 entlassen zu werden, überführte ihn die Gestapo in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort verstarb Heinrich Woest nur wenige Monate später.

Er war einer von 168 Zeugen Jehovas, die in Sachsenhausen um Leben kamen.

 

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Heinrich Woest wurde am 15. Juli 2008 Am St. Georgenkirchof 13 ein STOLPERSTEIN verlegt. Die Patenschaft für den STOLPERSTEIN haben das Ehepaar Matthias und Beate Oehm übernommen.

Zum Weiterlesen:
Bersch, Falk, Stolpersteine in Wismar. Wismar: 2018.

Falk Bersch, Protestaktion der Zeugen Jehovas vor 70 Jahren - der 7. Oktober 1943 in Mecklenburg, in: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern. 8. Jg., 2004, H. 2, S. 5-17

Wilhelm Wohler

20. Oktober 1889 – 05. April 1940
Poelerstraße 63
ermordet im KZ Sachsenhausen

Kurzbiografie:

Stolpersteineverlegung durch Gunter Demnig für Wilhelm Wohler.

Man steckt uns in Schutzhaft um uns
mundtot zu machen bedenkt aber nicht, daß man durch die Verhaftung des Warners die Gefahr nicht beseitigt, sondern eher noch vergrößert.“
(Wilhelm Wohler im Oktober 1936 aus der Landesstrafanstalt Neustrelitz- Strelitz an seine Schwester)

Wilhelm Wohler, der am 20. Oktober 1889 in Dodow bei Wittenburg geboren wurde, zog 1919 nach Wismar und gründete dort eine Stellmacherei. Seine Schwester Anna zog zu ihm und führte den Haushalt. Beide lernten die Bibelforscher (Zeugen Jehovas) kennen und schlossen sich ihnen an. 1920/21 trat Wilhelm Wohler aus der Kirche aus und ließ sich taufen. Durch die Inflation verlor er sein Geschäft und aufgrund eines Unfalls, bei dem er die Sehkraft des rechten Auges einbüßte, konnte er nicht mehr als Stellmacher arbeiten. 1933 fand er in der Schleiferei der Firma Häussler eine Beschäftigung.

Trotz des Verbotes der Bibelforschervereinigung durch die Nationalsozialisten betätigte sich Wilhelm Wohler weiter für seinen Glauben.  Wilhelm Wohler organisierte Zusammenkünfte, sprach mit anderen über seinen Glauben und hielt Kontakt mit im Untergrund reisenden Predigern der Zeugen Jehovas. 1936 verhaftete man ihn . Im Februar 1937 wurde er zusammen mit anderen Wismarer Zeugen Jehovas vor das Schweriner Sondergericht gestellt, das im Fürstenhof tagte, und ihn zu zwei Jahren Gefängnishaft verurteilte.

22 Briefe Wilhelm Wohlers aus der Haft sind überliefert; Briefe, die er aus den Gefängnissen Neustrelitz-Strelitz, Dreibergen-Bützow sowie aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen an seine Schwester Anna schrieb. Sie sind ein eindrucksvolles Zeugnis, da sie Wilhelm Wohlers gesamten Haftweg dokumentieren– den ersten Brief verfasste er kurz nach seiner Verhaftung, den letzten etwa zwei Wochen vor seinem Tod.

Man erfährt beim Lesen der Briefe nicht nur die religiösen Gründe seiner Ablehnung des Hitlerregimes, wie sie etwa in obigen Worten zum Ausdruck kommen. Er schreibt positive Erlebnisse nieder,  will seiner Schwester Mut machen und sie stärken. Kein Wort von seinem Leiden und von den Demütigungen. Auch über seinem verlorenen Kampf gegen die Zwangssterilisation im Gefängnis schreibt er nichts.

Bewegend, wenn man immer wieder liest, wie er sich über seine angekündigte Entlassung freut und Pläne für die Zukunft schmiedet: „Nun sind die Tage schon zu zählen, es sind keine hundert mehr. Habe ich die vielen herumgekriegt, werde ich die wenigen auch noch herumbekommen.“ Als diese Zeilen entstanden, ahnte er noch nicht, dass die Gestapo ihn nicht nach Hause, sondern in ein Konzentrationslager schicken sollte.

Erschütternd der letzte Brief vom 24. März   1940. Weil er nach wie vor zu seinem Glauben stand, durfte Wilhelm Wohler nur wenige Zeilen  aus Sachsenhausen schreiben. Die Sätze: „Mir geht es gut, grüße bitte alle Verwandten und Bekannten.“ sollten die letzten sein, die seine Schwester von ihm erhielt. Denn gut ging es ihm wahrlich nicht. Am 5. April 1940 starb Wilhelm Wohler in Sachsenhausen an Körperschwäche. In diesem Winter kam beinahe jeder vierte inhaftierte Zeuge Jehovas in Sachsenhausen ums Leben.

Verlegung des STOLPERSTEINS:

Für Wilhelm Wohler wurde am 28. Juli 2009 in der Poelerstraße 63 ein Stolperstein verlegt.Die Patenschaft für den STOLPERSTEIN  haben das Ehepaar Markus und Jutta Stein übernommen.

Zum Weiterlesen:
Falk Bersch, Die Briefe des Zeugen Jehovas Wilhelm Wohler aus den Strafanstalten Neustrelitz-Strelitz, Dreibergen-Bützow und dem Konzentrationslager Sachsenhausen 1936 bis 1940, in : Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern, 19. Jg., 2015, H. 1, S. 72-87

Falk Bersch, Stolpersteine in Wismar, Wismar: 2018

Falk Bersch, Wohler, Wilhelm, in: Karge, Wolf (Hg.), Biografisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 9, Schwerin: 2018, S. 294, 295.

Kontakt

Frau Petra Steffan
Postanschrift: Am Markt 1 (Postfach 1245, 23952 Wismar)
Hinter dem Rathaus 6
23966 Wismar
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Telefon: 03841 251-9032
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